Heute ist Olaf Wiederhold 75 Jahre jung, der kleine Junge von damals, seine Augen im sonnengegärbten Gesicht strahlen wenn er in der Grubenstraße an der Barriere steht bei seinem FC Erfurt Nord, dessen erstes und einziges Ehrenmitglied er ist: „Der Verein hat ja im Laufe der Zeit viele Namen gehabt, Höhen und Tiefen erlebt, aber der Platz hier ist immer noch derselbe, gut die Aschenbahn ist weg, die Holztribüne die da drüben links stand auch – hinzu kamen die neuen Kabinen, ja einiges hat sich geändert, aber der Rasen riecht immer noch genauso wie damals und ist am selben Ort". Auf diesen Rasen begann dann eine verheißungsvolle Karriere, früh spielte sich Olaf Wiederhold in die erste Mannschaft von Motor Nord. „Wir spielten damals vor bis zu zehntausend Zuschauern in der Grubenstraße, heute unvorstellbar", erinnert sich Wiederhold, doch das fand schnell ein bitteres Ende, ein schwerer Arbeitsunfall drüben auf der anderen Straßenseite im Trägerbetrieb bei Pels, dem Tod mit 20 Jahren gerade noch von der Schippe gesprungen, beendete seine Karriere als Spieler. „Ich hatte danach noch 16 Jahre einen Nagel im Bein, spielen war nicht mehr möglich, gut ein bisschen Zweite Mannschaft ab und zu, später dann ein paar Spiele bei den Alten Herren", doch aufgeben war nicht Olafs Sache, er wurde mit kaum 22 Jahren Trainer, erwarb im Laufe der Zeit alle vier Übungsleiterscheine die in der DDR möglich waren, hätte eine Mannschaft in der Oberliga (höchste Spielklasse der DDR) übernehmen können, doch er blieb dem Nachwuchs treu, lange als Trainer im Erfurter Bezirksleistungszentrum, später wieder bei Motor Nord. „Eines Tages kam eine Kindergartengruppe, ein kleiner schmächtiger Junge fünf vielleicht auch schon sechs Jahre alt fiel mir sofort auf", erinnert sich der Trainer und er hatte sich nicht getäuscht, gemeinsam mit seinem Freund und Trainerkollegen Richard „Moppel" Schröter führte er das Talent durch die Juniorenzeiten, vom FC Rot Weiß Erfurt mehrfach verschmäht, ging Stefan Böger, so der Name des ehemals kleinen Jungen, dann zum FC Carl-Zeiss Jena und spielte 110 mal in der Oberliga und vier Mal in der Nationalmannschaft der DDR, nach der Wende dann zum FC Hansa Rostock in die erste Bundesliga, über verschiedene Stationen landete er schließlich beim HSV in Hamburg für den er 38 Spiele in der Bundesliga absolvierte und anschließend die Trainerlaufbahn einschlug. Mattias Sammer holte Böger dann zum DFB, trainiert dort heute die U-17 Auswahl Deutschlands. „Wir haben heute noch regelmäßig Kontakt, wir reden dann aber wenig über Aktuelles, schwelgen lieber in Erinnerungen" lacht Olaf Wiederhold und wird für einen kurzen Moment ernst: „Wirklich stolz bin ich das ich meine Jungs Frank und Jens trainiert habe". Jens sagt dazu: „Unter Papa zu trainieren war riesig, auch wenn ich mich etwas härter rangenommen hat, ich habe schon damals gefühlt wie gut er mit Kindern umgehen konnte" sagt der heute 46-Jährige. „Das allergrößte waren aber die Trainingslager, mit Papa und allen Trainer und den ganzen Mannschaften, von den ganz Kleinen bis zu den Großen, da gab es keine Unterschiede, wir waren eine riesige Gemeinschaft, unglaublich schön. So was gibt's heute leider nicht mehr". Doch der Einstieg in die Männermannschaft verlief weniger fröhlich, zwar kam Jens zu regelmäßigen Einsätzen in der damals drittklassigen Bezirksliga Mannschaft, der Verein hieß inzwischen BSG Umformtechnik Erfurt, doch so richtig Spaß hatte er nicht: „Die erfahrenen Spieler haben es den Jüngern sehr schwer gemacht, es zählte mehr das Alter als das fußballerische Können, das war echt nicht mein Ding", sagt Jens über die Anfangszeit, aber ohne Gram. Beim TSV Gispersleben und dem SV Post feierte er noch so manchen Erfolg „und ich bin ja dann auch zu UT zurück". Die Lockerheit gibt ihm wohl auch seine Familie: „Als ich meine Annette kennen gelernt hatte, habe ich nicht lang gezögert, wir haben früh geheiratet, die beste Entscheidung meines Lebens". Und da war eines Tages der kleine Sohn Martin: „Der war kaum älter als zwei Jahre, da stand er jeden Tag im Korridor in voller Montur: Trikot - Hose –Stutzen - Fußballschuhe und hat gewartet das Papa endlich von Arbeit kommt um bolzen zu gehen", Martins Weg führte natürlich in den Verein und genauso natürlich in die Grubenstraße: „Als Opa Olaf dann mein Trainer wurde war das nicht einfach, wenn die anderen Kinder den Ball zwanzig Mal hoch halten konnten und gelobt wurden waren ihm meine 25 zu wenig. Heute bin ich Opa sehr dankbar, er hat mich nicht nur gefordert sondern auch gefördert", sagt Martin der erwachsen geworden, als Stammspieler mit der SpVgg Eintracht Erfurt in die Landesklasse aufstieg und spielte, heute beim TSV Kerspleben kickt. Auch sein jüngster Bruder Jannis kickt heute an der Chaussee in den D-Junioren. „Er könnte noch in der E spielen, aber er hat schon was drauf. Der war ja als ganz Kleiner fast noch verrückter als Martin, 'Ball, Ball, Ball' hallte es durch die Wohnung, heute hat er schon eine ganze Menge Pokale und Urkunden in seinem Zimmer", berichtet der stolze Vater Jens. Seinen Opa Olaf Wiederhold wird Jannis nicht mehr als Trainer haben, der hat ja vor fünf Jahren Schluss gemacht: „Irgendwann musste ich einen Schlussstrich ziehen, ich vermisse die Arbeit mit den Kindern schon, aber es ist auch gut so", sagt Olaf, der viele tausend Fußballer in Erfurt auf ihren ersten Schritten begleitete, „Da drüben der Manni und der Marcel, das waren schon fast meine letzten", wieder ist Stolz ins seiner Stimme und das leuchten in seinen Augen. So wird auch der jüngste Spross der Familie seinen Urgroßvater nur noch als Zuschauer erleben. Der kleine Paul der vor wenigen Wochen sein erstes Lebensjahr vollendete, kann schon laufen – besser gesagt rennen. Als ihm nach zwei Stunden rumtoben auf dem Fußballplatz der Ball abgenommen wurde, protestierte Paul lautstark. Sein Urgroßvater Olaf Wiederhold stand an der Barriere und lächelte milde. TLZ Erfurt 6.10.2012
Paul Wiederhold im Arm von Jannis Wiederhold, Martin Wiederhold, Jens Wiederhold, Olaf Wiederhold (v.l.n.r.)